Mila Obert – El Cañón 19.12.2012

Nachdem ich im Jahr 2011 bereits fuer vier Monate als Freiwillige im Kinderheim “Puente de Amistad” in El Cañón war, bin ich im Mai 2012 hierher zurueckgekehrt, um mehr Zeit in Nicaragua verbringen zu koennen. In den sieben Monaten meines bisherigen Aufenthalts habe ich viele Einblicke in die nicaraguanische Kultur, in das Leben in einem solch armen Land und in das Leben der Kinder und Jugendlichen, von denen manche einen Grossteil ihres Lebens im Heim verbracht haben, gesammelt. 

Der Alltag im Heim ist sehr durchstrukturiert: Schule, Hausaufgaben, Putzen, psychologische Zuwendung, Gottesdienst, Musik-, Computer-, Schreinerei- und Englischunterricht sorgen dafuer, dass die Kinder beschaeftigt sind, ihre Talente entwickeln und nuetzliche Kenntnisse erwerben. Viele der Jugendlichen, die schon lange im Heim leben und von diesen Aktivitaeten profitieren, sind deutschen  ihres Alters so aehnlich: sie lieben es, Musik zu hoeren und zu tanzen, sie wollen schoene Kleidung, haben Facebook , gehen gerne ins Kino und Pizza essen. Dabei merkt man im Alltag oft fast nicht, aus welchen Umstaenden sie kommen und welche Vergangenheit sie haben. Dass sie ihre Familien vermissen und Ausfluege im Heim nur selten unternommen werden. Wahrscheinlich deshalb ist es jedesmal wieder aufruettelnd, wenn neue Kinder wegen Misshandlung oder extremer Armut vom Familienministerium oder wegen fehlender Versorgungsmoeglichkeit von ihren Eltern ins Heim gebracht werden. Erst dann wird einem wirklich bewusst, welche schwierige Vergangenheit alle Kinder hier haben.

Als Crystal, 3, und Francisco, 5, letztes Jahr ins Heim gebracht wurden, waren sie dem Hungertod nahe. Ihre Mutter liess die beiden bei der Grossmutter, welche mit den beiden ueberfordert war, zurueck. Diese sperrte die Kleinkinder in ein Zimmer, aus dem sie erst Monate spaeter unterernaehrt und unterentwickelt von einer Nachbarin befreit wurden. Ein Jahr spaeter sind die beiden schoen dick, froehlich und frech.
Manuel ist 12 und ist seit Oktober im Heim. Vorher hat er auf der Strasse gelebt und dort als Verkaeufer gearbeitet. Er liebt es, zu singen, zu putzen, sein Bett zu machen und ein geordnetes, sauberes Leben zu fuehren. Er geht jetzt in die erste Klasse, das Lesen macht ihm noch Schwierigkeiten, aber das 1×1 kann er schon besser als die meisten der Viertklaessler!
Iris, 14, kam im November zu uns, nachdem ihre Mutter zu einer Gefaengnisstrafe verurteilt wurde. Iris ist geistig leicht behindert, was zu Schwierigkeiten mit den anderen Maedchen ihres Alters fuehrt, die dafuer manchmal wenig Verstaendnis zeigen. Aber sie lernen dazu und Iris fuehlt sich zusehends wohler, liebt es, zu tanzen und zu lachen. 
All diesen Kindern und Jugendlichen wird  hier im Heim der Freundschaftsbruecke geholfen, sie werden versorgt und geliebt und haben ein stabiles Zuhause. Dennoch bleiben ihnen immer Traumata aus ihrer Vergangenheit und das Fehlen einer wirklichen Familie.