BNN-Bericht zur aktuellen Lage in Nicaragua, Januar 2021

Humanitäres Lebenswerk einer Ettlingerin in Gefahr

Freundschaftsbrücke Nicaragua vor großen finanziellen Herausforderungen / Zufluchtshaus für Kinder geschlossen

Von unserem Redaktionsmitglied

Heidi Schulte-Walter

Tagsüber betreut: Schulunterricht, Verpflegung und Hausaufgabenbetreuung bekommen die Kinder im Präventionsprogramm, das der Ettlinger Verein Freundschaftsbrücke Nicaragua unterstützt.
Foto: Barbara Onahor

Einst hat eine Ettlingerin das Zufluchtshaus für verwahrloste Kinder in Nicaragua aufgebaut – jetzt ist es dicht gemacht worden. Es besteht wenig Hoffnung, dass die Behörden einlenken.

Ettlingen. Das Lebenswerk der vor zwei Jahren gestorbenen Ettlingerin Alheide Siess ist in Gefahr. Sie war es, die als Gründerin des Hilfswerks Freundschaftsbrücke Nicaragua mehr als drei Jahrzehnte lang durch ehrenamtliches Engagement dafür sorgte, dass in dem krisengeschüttelten Land drei Schulen unterstützt wurden, bitterarme Familien regelmäßige Lebensmittellieferungen erhielten und verlassene wie verwahrloste Kinder in einem Zufluchtshaus unterkamen. Letztgenanntes ist auf behördliche Anordnung hin geschlossen, seit sich ein in früher Kindheit schwer misshandelter und traumatisierter zwölfjähriger Junge das Leben genommen hat. Alle Versuche, die Wiedereröffnung zu erreichen, blieben bislang erfolglos, berichten die Vorsitzende der Freundschaftsbrücke, Dörte Riedel, und ihre Mitstreiterin Barbara Onahor. Sie spricht fließend Spanisch und führt daher die Korrespondenz mit den Partnern in El Canon, dem Standort des Heimes.

„Wir haben nur noch wenig Hoffnung auf ein Einlenken der Behörden“, sagt Onahor. Einsprüche, Petitionen und Proteste in der Bevölkerung hätten nichts gebracht. Die Kinder seien aus dem Heim in andere Einrichtungen oder zu Verwandten gebracht worden, intakte Familienstrukturen habe dort praktisch niemand. Zum handfesten finanziellen Problem entwickelte sich für den Verein Freundschaftsbrücke Nicaragua, dass alle Mitarbeiter des Heims im Herbst entlassen wurden und neue Arbeitsplätze für sie nicht in Sicht seien. Jedem der zwölf Beschäftigten stehe für jedes Arbeitsjahr ein Monatsgehalt als Abfindung zu, unabhängig davon, wie es zur Kündigung kam. In Nicaragua, so Barbara Onahor, seien für diesen Fall keine Rücklagen gebildet worden, „so dass die Abfindungen an uns hängen bleiben“.

Den Verein mit seinen rund 40 Mitgliedern und etwa 300 Unterstützern stelle das vor eine „riesige Herausforderung“. Denn es sei ja nicht denkbar, Spendengelder nur für Abfindungen von Mitarbeitern zu verwenden, wo doch auch andere soziale Projekte im Land weiterliefen. Da ist die Förderung von drei Schulen – die eine in El Canon, die anderen in Armenvierteln von Managua und Nagarote. Das sind die Lebensmittelsäcke, die regelmäßig für ganz arme Familien gepackt und verteilt werden, und da ist das so genannte „Präventionsprogramm“, an dem derzeit 14 Jungen und Mädchen teilnehmen.

Dörte Riedel zufolge handelt es sich dabei um Kinder, deren Eltern sich als Tagelöhner verdingen, in deren Familien Alkohol- oder Drogenmissbrauch an der Tagesordnung sind, und die Gefahr laufen, selbst kriminell zu werden. Sie haben im Präventionsprogramm einen fest strukturierten Tagesablauf, mit Schule, Verpflegung, Hausaufgabenbetreuung und Freizeitgestaltung. Dieses Programm sei die „einzige Chance, dem Elend zuhause zumindest tagsüber zu entkommen“.

Bis zur Schließung des Zufluchtshauses seien noch mehr Kinder tagsüber betreut worden. Durch deren Verteilung an andere Orte sei dies aber nicht mehr möglich. Barbara Onahor, die nicht mehr ernsthaft mit einer Wiedereröffnung des Heimes rechnet („das wäre angesichts der Entwicklung in Nicaragua fast schon ein Wunder“), denkt darüber nach, ob sich das geschlossene Haus nicht für eine anderweitige Nutzung eignen könnte. Ein Familien- oder Gesundheitszentrum auf einfachem Level sei eine Idee. Werkstätten für die handwerkliche Ausbildung von Jugendlichen eine andere, ergänzt Dörte Riedel. Festgelegt hat sich die Freundschaftsbrücke Nicaragua noch nicht. Zunächst will sie abwarten, ob die nordamerikanische Organisation „OrphaNetwork“, die sich auch seit einigen Jahren im Zufluchtshaus finanziell einbringt, bereit ist, dessen Neuausrichtung mit zu unterstützen. Eine Entscheidung soll Anfang 2021 fallen.

Service

Spendenkonto: Freundschaftsbrücke Nicaragua e.V. IBAN DE94 660501010001241629 Sparkasse Karlsruhe

Das Programm ist die einzige Chance, dem Elend zuhause zu entkommen.

Dörte Riedel

Vorsitzende Freundschaftsbrücke

40 Mitglieder zählt der Verein Freundschaftsbrücke Nicaragua, dazu noch 300 Unterstützer