Rundbrief April 2019

Liebe Freundinnen und Freunde,

das mit dem Jahreswechsel begonnene Schuljahr in Nicaragua ist schon wieder in vollem Gange, und dank Ihrer Spenden konnten wir für die Kinder und Jugendlichen im Heim und in den von unserem Verein unterstützten Familien die benötigten Schuluniformen kaufen. Die Schulen haben trotz der politisch labilen Lage im Lande die gewohnten Schülerzahlen. Die Kinder können lernen, was sie als ein großes Privileg empfinden.

In der Martin-Luther-King-Schule in El Cañon, die direkt neben unserem Heim liegt, wurde mit Unterstützung einer kanadischen Spendergruppe ein Erweiterungsbau für 3 Klassen einer Oberschule errichtet, damit die Kinder aus unserem Heim und die aus der näheren Umgebung nicht in die weit entfernte Schule nach El Crucero gebracht werden müssen. Dies spart für die Schüler und Schülerinnen Zeit und uns Schul- und Transportkosten.

Der Unterrichtsbetrieb wurde auch hier aufgenommen. Die Oberstufenklassen werden momentan von 62 Jugendlichen besucht. Die Direktorin Maria Elena Ruiz Hernandez hat für 26 von ihnen staatliche Stipendien erwirkt, eine wirkliche Demokratisierung von Bildung. Eltern, die sich die Kosten einer Oberschule leisten können, zahlen ein Schulgeld von etwa 5,50$ im Monat. Damit kommen sie günstiger als bisher, denn zu den Kosten für den Transport nach El Crucero musste ein noch höheres Schulgeld addiert werden.

Für Oberstufenschüler braucht es natürlich auch Oberstufenlehrer. Durch die zahlenden Eltern kommen zwei Drittel der laufenden Lehrergehälter von knapp 1100 Dollar zusammen. Die neuen Lehrer werden zurzeit allerdings auf Honorarbasis entlohnt, um die für Angestellte üblichen knapp 25% Sozialabgaben einzusparen. Unter sozialen Gesichtspunkten kein befriedigendes Konstrukt! Deshalb suchen unsere Partner in Nicaragua, aber auch wir hier in Deutschland zusätzliche Spenden, mit denen wir das ändern können. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere unter Ihnen motiviert, diesen Lehrern, deren Einkommen sowieso schon gering ist, mit einer Dauerspende zu etwas mehr sozialer Absicherung zu verhelfen?

Was uns schon lange auf den Nägeln brannte, war die Anschaffung eines neuen Microbusses. Er wird täglich gebraucht für Transporte von Kindern und Jugendlichen z.B. in das Förderschulzentrum in Managua, zu Arztbesuchen u.Ä., aber auch für die wöchentlichen Großeinkäufe auf dem Markt in Managua wird er benötig.

Der alte Bus war sehr in die Jahre gekommen und verschlang zum Schluss hohe Summen an Reparaturkosten.

Der neue Microbus ist sozusagen ein letztes Geschenk von Alheide Siess an ihr Projekt, das ihr so sehr am Herzen lag. Viele Freunde und Unterstützer folgten anlässlich ihrer Trauerfeier dem Aufruf, statt Blumen oder Kränzen für die Freundschaftsbrücke zu spenden und damit wurde diese Extra-Investition möglich.

Mit der langsamen, leider nur öberflächlichen Beruhigung der Lage in Nicaragua konnten und können nun einige Reisepläne verwirklicht werden: So hat die mutige Gesa Johannsen im Rahmen einer größeren Reise Anfang diesen Jahres einige Wochen als Praktikantin im Heim verbracht, nicht ohne die strikte Vorgabe der Direktorin der Projekte, Carolina Alguera, das Heim nur in Begleitung erwachsener einheimischer Begleiter zu verlassen.

In einer Mail vom 25.03 2019 schreibt Gesa Johannsen:

„… Zur generellen Sicherheitslage: Prinzipiell ist das Land relativ ruhig und unprob-lematisch, solange man keine politische Meinung äußert, weshalb ich mich persönlich zu keiner Zeit unsicher gefühlt habe.

Für die Nicas ist die Situation durchaus anders. Jegliche Äußerung gegen die Regierung kann zu verheerenden Konsequenzen wie Gefängnisstrafen etc. führen. …“

Auch Barbara Onahor wird ab Ende Juni 3 Wochen in Nicaragua verbringen, und so die Reise nachholen, die letztes Jahr durch die Unruhen unmöglich war. Allerseits besteht die Erwartung, durch den direkten Austausch neue Impulse zu geben und zu bekommen und so für die Projekte nutzbringende Arbeit zu leisten. Die von Ihnen letztes Jahr gespendeten Beträge für Soforthilfe vor Ort während des Aufenthaltes werden sich hoffentlich noch ein bisschen vermehren und dann dieses Jahr zum Einsatz kommen. Die Reise selbst wird die Mitarbeiterin wie gewohnt selbst finanzieren, die Spenden kommen bei den Projekten an!

Für Anfang 2020 hat eine weitere Unterstützerin einen Aufenthalt im Kinderheim geplant: Heike Kirsch aus Steinach bei Haslach, die unser Kinderhilfswerk über die Arbeit einer seit Jahren treuen Spendergruppe vor Ort kennt. Sie macht ein halbes Jahr Sabbatical und will sich in diesem Rahmen auch für die Kinder in Nicaragua einsetzen. Vielen Dank Heike, eine tolle Initiative, weit abseits von Hedonismus und Selbstoptimierung! Wir wünschen Dir, dass Du noch viele Gleichgesinnte findest, die Dich unterstützen!

Nun zu einem ganz anderen Thema:

Das Familienministerium regte wegen Mangels an geeigneten Einrichtung an, in unserem Heim einen Schwerpunkt für die Betreuung sexuell missbrauchter Kinder einzurichten. Durch die vorhandene Qualifikation unserer Psychologinnen vor Ort konnte das ermöglicht werden. Nidia, eine der Psychologinnen im Heim stellt uns zwei der Kinder vor, mit denen sie arbeitet:

Heute stellen wir Euch Noab N. vor, einen 10jährigen Jungen, der im Alter von 7 Jahren ins Heim Puente de Amistad (Freundschaftsbrücke) kam. Er stammt aus einer ländlichen Gemeinde im Norden des Landes, wo es keinen Zugang zu Bildung, Wasser oder anderen grundlegenden Versorgungsleistungen gibt. Er hat zwei Geschwister, hat aber

keinen Kontakt mehr zu ihnen, seit er in unserem Zufluchtshaus aufgenommen wurde.

Noab erlebte die Ermordung seiner Mutter durch seinen Vater, als dieser in einem Streit mit einem Messer auf sie einstach und ihr stark blutende Wunden zufügte. Da es in der Nähe ihres Wohnortes kein Gesundheitszentrum gibt, an das der Junge sich hätte wenden können, und die Erwachsenen der Familie sich nicht für eine Versorgung der Frau einsetzten, verstarb sie.

Kurze Zeit später wurde der Junge für den Tod seines zweijährigen Cousins verantwortlich gemacht, den er beaufsichtigen sollte. Der kleine Cousin wurde tot von seiner Mutter aufgefunden und Noab war sehr verstört. Er erzählte, dass jemand ins Haus eingedrungen war, die Kinder mit in den Hof genommen und dem Kleinen und ihm selbst wehgetan (sprich: sie sexuell missbraucht) hatte. Als er aufstehen konnte, hatte er den Kleinen vom Hof zu dessen Bett getragen und auf die Familie gewartet.

Noab wurde von einer Polizeipatroullie der Gemeinde wie ein Verbrecher mitgenommen. Dabei wurden all seine Rechte als Kind und als menschliches Wesen verletzt. Er erzählt, dass die Polizei ihn viele Tage festhielt. Währenddessen erhielt er keinen Besuch, er konnte kein Tageslicht sehen und wurde nicht in den Hof gebracht. Niemand erklärte ihm irgendwas, niemand sprach mit ihm während dieser Zeit. Irgendwann kam ein Auto und er wurde in unser Zentrum überführt. Sein Vater verzichtete auf seine Erziehungsberechtigung und auch die übrige Familie wollte sich nicht um ihn kümmern.

Seit Februar 2016 ist der Junge in unserem Heim. Am Anfang seines Aufenthaltes war er sehr introvertiert, vermied körperlichen Kontakt und hielt sich von den anderen Kindern seines Alters fern. Je mehr er sich bei den verschiedenen Aktivitäten einbrachte und je weiter seine Psychotherapie fortschritt, desto stärker die Verwandlung, die an ihm zu beobachten war. Er interessierte sich sehr dafür, Lesen und Schreiben zu lernen, da er das nicht konnte. In seinem Dorf hatte er kein Schuljahr beenden können. Er kam in die Grundschule neben unserem Heim und er erhielt zusätzlich Computer-, Englisch- und Tanzunterricht wie die anderen Kinder in unserem Heim auch.

Jetzt ist Noab der beste Schüler der Martin Luther King Schule, er besucht die 4. Klasse. Im letzten Jahr erreichte er einen Notenschnitt von 99 von 100 Punkten. Er ist ordentlich, sorg-fältig mit der Pflege seiner Person und seinen persönlichen Dingen wie z.B. Kleidung, Schuhen und Spielzeug. Er verhält sich freundlich und hat einen großartigen Sinn für Humor. Mit viel Freude spielt er Gitarre und Fußball und hilft gerne anderen Kindern. Er hatgelernt, seine Gefühle zu erkennen, zu benennen und mit ihnen zurechtzukommen. Noab respektiert seine Umwelt und sein Traum ist es, Agraringenieur zu werden.

Nun berichten wir von Emeling V. Sie sieht aus wie sechs, ist in Wirklichkeit aber 9 Jahre alt. Sie war Opfer von Misshandlungen und Vernachlässigung durch ihre Großmutter väterlicherseits. Außerdem wurde sie sexuell missbraucht und ihre Menschenrechte wurden vielfach grob verletzt. Im November 2018 kam sie in äußerst schlechtem Gesundheitszustand in unser Heim. Sie war unterernährt, an Körper und Haaren sah man deutlich die Spuren der Misshandlungen. Die leibliche Mutter ist circa 30 Jahre alt, alkohol- und drogenabhängig. Sie und der Vater des Kindes gingen gemeinsam weg und überließen ihr Kind einem schrecklichen Schicksal.

Die Misshandlung und Vernachlässigung wurden der Polizei von den Nachbarn in der Gemeinde angezeigt, die beobachtet hatten, dass das Kind im Hof schlief, geschlagen wurde und nichts zu essen bekam. Als die Polizei ins Haus kam, fanden sie das Kind schmutzig, barfuß und mit Plastiktüten bekleidet im Hof vor. Die Großmutter gab an, kein Geld für Pampers zu haben, so zog sie dem Kind, das noch nicht sauber war, Plastiktüten an. Emeling konnte all die Misshandlung beschreiben. Sie erzählte, dass sie im Hof gebadet wurde und in der Sonne blieb, um dort zu trocknen. Sie schlief auf einem Plastikstuhl, hatte kein Bett oder Kleidung. IhreErnährung bestand nur aus purem Reis oder aus Tortillas und sie bekam oft nur eine Mahlzeit am Tag.

Nun geht Emeling jeden Tag zur Schule beim Heim. Besonders mag sie Englischunterricht. Momentan nennt sie alle Erzieherinnen „Mama“, ist sehr zärtlich, geht allein zur Toilette und duscht mit großer Freude. Sie geht mit ihren Spielsachen und Kleidern ordentlich um und strengt sich an, lesen und schreiben zu lernen. Sie bekommt psychologische Behandlung, medizinische Behandlung gegen Parasiten, hat Sprachtherapie und Förderunterricht fürs Lesen und Schreiben. Sie sagt, sie möchte nie aus dem Heim weggehen, da das nun ihr Zuhause ist.

Die Namen der beiden Kinder wurden selbstverständlich geändert.

Sicher geben geben Sie uns recht, dass es sich lohnt, sich für Kinder mit solchen Schicksalen einzusetzen.

Deshalb bitten wir Sie auch heute wieder: Bleiben Sie uns treu!

Erzählen Sie Ihren Freunden und Bekannten von unserer Arbeit, helfen Sie uns, neue Spender zu finden!

Mit freundlichen Grüßen

Waltraud Klein-Hanagarth Barbara Onahor

Spenden sind steuerlich absetzbar. Konto: IBAN: DE946605 0101 0001 2416 29 BIC: KARSDE66

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1. Vorsitzende: Dörte Riedel Tel. 07243-9758

2. Vorsitzende: Waltraud Klein-Hanagarth Tel. 0721-463099

3. Schatzmeister: Volker Böttger Tel.:0721-73773